Glückssucht – warum uns Krisen resilienter machen | Jennifer Mense

Glückssucht – warum wir Unglücklich sein willkommen heißen sollten, und wie wir durch Krisen resilienter werden.

Ich gebe zu, dass ich nicht ganz zufällig darüberschreibe, sondern selber in so einer Phase stecke, in der ich mich mit dem Unglücklichsein arrangieren darf.

Das gelingt mir grade nur bedingt, denn auch ich hadere mit meinen Gefühlen und wünsche mir bessere Tage.

Manchmal gelingt es mir aber auch, und ich spüre den Frieden mit den schweren Gefühlen.

Es mag sich erstmal komisch anhören, wenn einem vorgeschlagen wird, man möge das Unglücklichsein willkommen heißen. Denn natürlich wären wir alle gerne 24/7 Stunden und Tage die Woche glücklich. Jeder mag die positiven Gefühle, wenn man sich einfach gut fühlt. Vielleicht weil die Sonne scheint, man ein Geschenk bekommen hat, jemand einem ein Kompliment gemacht hat, man sich geliebt und wertvoll fühlt.

In solchen Momenten möchte man am liebsten die Zeit anhalten. Aber da das nicht funktioniert, bleibt uns wohl nichts anderes übrig als uns dem Lauf der Dinge hinzugeben.

Denn würde immer alles super laufen, wären wir permanent von Glück und Genuss umgeben, wüssten wir dieses wohl ganz schnell gar nicht mehr zu schätzen, weil es zur Gewohnheit wird. Eine Gewohnheit verliert aber schnell die Aufmerksamkeit, weil sie nichts mehr Besonders an sich hat.

Wann kommt das Glücksgefühl zu uns?

Das Glücksgefühl stellt sich häufig ein, wenn wir etwas erleben, was nicht alltäglich ist. Die Sonne nach einem langen Winter, das Wochenende nach einer anstrengenden Woche, die Badewanne nach einem harten Tag, diese Momente machen mich sehr glücklich, weil sie einen besonderen Moment darstellen. Würde ich jeden Tag stundenlang in der Wanne liegen, würde ich nicht nur schrumpelig, es würde auch alltäglich und würde den Zauber verlieren.

In der heutigen Zeit, hat sich der Gedanke breit gemacht, das Glück ein Normalzustand sein müsste, und jeder der nicht glücklich ist, etwas falsch macht, und wohl auch selber schuld dran ist. Das löst einen ziemlichen Druck aus, wenn ich dem Glück ständig nachjagen muss. Viele jagen dabei ausschließlich äußeren und materiellen Glücksmomenten nach-die teure Reise, das tolle Auto, die neusten Klamotten, all diese Dinge machen uns für den Moment glücklich, aber recht schnell haben wir uns an sie gewöhnt und jagen der nächsten Glücksdroge nach. Never ending story… Oder nicht?

Glück ist ein innerer Job

Für mich ist Glück ein innerer Job. Die Entscheidung, was mich glücklich und unglücklich macht, liegt bei mir. Ich selber kann viel für mein Glück tun, wenn ich meine Gedanken beobachte. Meine Gedanken steuern nämlich mein Glücksempfinden, bevor es überhaupt Eintritt. Wir alle kenne dieses Phänomen unter dem Begriff der Vorfreude. Ich freue mich auf etwas und bin schon glücklich, bevor dieses Erlebnis oder diese Begegnung stattgefunden hat. Ich denke, der Genuss einer Tafel Schokolade macht mich glücklich. Ich freue mich auf diesen Moment. Ich fiebere ihm entgegen: „Wenn ich diesen Blog fertig habe, gönne ich mir meine Schoki auf der Couch.“ Wenn ich sie dann esse, bin ich tatsächlich glücklich, aber sobald ich die Tafel verputzt habe, ist auch das Glücksgefühl vorbei. Wenn wir also verstehen, dass wir Glück schon durch unsere Gedanken hervorrufen können und das Glück kein Dauerzustand ist, dann können wir bewusst unser Glückslevel durch gute Gedanken anheben. Wir können in unserem Inneren glückliche Zustände kreieren. Ja, vielleicht braucht das etwas Übung. Es ist aber möglich!

Wir können zudem akzeptieren, dass auch Schmerz, Scheitern und Ungewissheit zum Leben gehören. Das kann bei einigen auf Ablehnung stoßen, da sie auf alles Negative lieber verzichten wollen. Es kann aber auch eine Erleichterung auslösen. Ich weiß, dass etwas schieflaufen kann und ich darf mich auch mal schlecht fühlen. Die negativen Gefühle machen das Erleben der positiven Gefühle viel intensiver, und jeder der mal krank war, erinnert sich daran, wie schön der Moment war, wenn man wieder fit ist.

Die neue Form der Impfung – oder wie wir unsere Resilienz stärken

Der Psychologe Brock Bastian ist der Meinung, dass sich die glücklichen Momente an der Schnittstelle zwischen Freude und Leid ereignen. Große Gefühle entstehen, wenn wir uns verletzlich zeigen, weil wir auch Angst, Schmerzen und Ungewissheiten kennen. Die emotionalen Krisen vergleicht Bastian mit einer Impfung, mit jedem überwinden einer Krise sind wir widerstandsfähiger und gehen stärker aus ihr heraus.

Wir werden resilienter, wenn wir auch mal negative Gefühle zulassen, weil wir wissen, dass wir auch diese Erfahrungen überleben werden. Diese Widerstandskraft kann uns keiner nehmen und sie kommt uns bei jeder neuen Herausforderung zur Hilfe.

Ich wurde im Laufe der Jahre sehr oft geimpft. Oft war ich in Krisen verzweifelt und wollte so schnell wie möglich aus ihnen raus. Heute nach Jahren der Therapie und Selbsterfahrung weiß ich, dass ich viel zufriedener mit dem Leben bin, wenn ich auch negativen Gefühlen Platz in meinem Leben lasse. Wenn ich davon ausgehe, dass mich auch mal schlechte Gefühle besuchen, bin ich nicht so überrascht und kann sie mit Gelassenheit empfangen. Vielleicht gelingt es mir nicht, sie willkommen zu heißen und Ihnen einen Tee anzubieten, aber ich lasse sie da sein, ohne sie direkt wieder vor die Tür zu jagen.

Auch wenn ich gerne immer glücklich wäre, kann ich dem Leiden einen Sinn geben, weil es mir ermöglicht, auch die schönen Tage wieder viel bewusster wahrnehmen zu können. Die negativen Gefühle kommen und gehen, wie auch die positiven, durch dieses Wissen werfen mich negative Phasen nicht so schnell aus der Bahn. Ich weiß, dass auch das vorbei geht. Und ich vertraue darauf, dass es in meinem Leben einen höheren Sinn gibt, warum mir alles widerfährt. Das Leben ist immer für mich, selbst dann, wenn ich es grade nicht erkennen kann. 

Scheitern ist menschlich, du bist kein Fehler!

Dieses Gefühl eines sinnvollen Lebens hilft mir, mich auf die Liebe und Menschlichkeit zu konzentrieren. Dazu gehört eben auch sich verletzlich zu zeigen und zu scheitern. Nur weil ich in manchen Dingen scheitere, oder ich Fehler MACHE, heißt das nicht, dass ich ein Fehler BIN. Ich kann so gelassen bleiben und wertschätzen was ist, ohne mich ständig selber in Frage zu stellen, oder mich als unglücklich zu bewerten. Meine eigene Bewertung würde sonst nur das Gefühl des Unglücks verstärken. Die Akzeptanz hingegen lässt das Unglücksgefühl sinken, weil wir nicht mehr dagegen ankämpfen und diesem Gefühl keine Energie mehr geben.

Eine tiefere Form von Glück und Sinn sehe ich darin, mich authentisch und verletzlich zu zeigen, um wahre Verbundenheit mit Menschen zu erleben. 

Nicht weil ich so bin, wie ich sein sollte, sondern weil ich so sein darf, wie ich bin.

Das macht mich glücklich und gibt mir die Gewissheit ein glückliches Leben zu führen, in dem ich auch unglücklich sein darf.

Mögen die glücklichen Momente, die unglücklichen überstrahlen.

Mögest du dein Leben mit allen Seiten lieben. Mit Licht und Schatten. Mit Glück und Unglück. Mit Freude und Leid.

Liebe dein Leben

Deine Jennifer 💖